Buch NACHGEFRAGT LILIAN AUZAS: La Hagen, Brecht und Dackel FOTO: A. AUZAS Dieser Autor aus Frankreich widmet sich umstrittenen deutschen Damen, etwa Leni Riefenstahl oder Nina Hagen, genauso wie DEM bayerischen Hund überhaupt: dem Dackel. Für uns hatte er Zeit für einen Chat. Wie kamst du auf die Idee, dich mit dem Dackel zu beschäftigen? Von dem Moment an, als mein erster Roman (inspiriert vom Leben der deutschen Filmemacherin Leni Riefenstahl, 2012) veröffentlicht wurde, wusste ich, dass ich eines Tages eine Lobrede auf den Dackel schreiben werde. Als ich ein Teenager war, hatten meine Eltern neben vielen anderen Hunden einen Dackel. Und ich verliebte mich in diesen Hund. Es ist ein erstaunliches Tier: lustig, klug, rücksichtslos und ein Komiker! Der Dackel ist ein sehr gutes Studienfach. Eines Tages traf ich meine Lektorin Émilie Colombani bei Éditions Rivages in Paris und sie hatte ein Projekt für eine Sammlung von Lobreden. Die Idee eines Dackels verführte sie. Und das Buch war geboren. Du hast aber auch Nina Hagen und Bert Brecht unter die literarische Lupe genommen. Genau, das Buch ist letztes Jahr erschienen. Ich habe mehrere Konzerte von Nina Hagen besucht, wo sie Bertolt Brecht singt, darunter zwei im Berliner Ensemble. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland wird Nina Hagen in den Medien oder vom Volk als netter Verrückter wahrgenommen. Das ist total ungerecht! Nina Hagen ist äußerst kultiviert und intelligent. Du musst ihr nur zuhören. Kein Wunder, dass sie Brecht singt. Was ich in meinem Buch zeige, ist, dass Brecht schon immer eine wichtige Rolle in ihrem Leben gespielt hat seit ihrer Kindheit in der DDR. Nina Hagen ist eine Erbin des Schriftstellers. Sie sieht die Welt als gigantisches Theater, eine großartige improvisierte Aufführung vor ihrer Begegnung mit Gott. Sie ist immer noch ein Enfant terrible, neugierig und wissbegierig. Mit 66 Jahren lernt Nina Hagen weiter und hört nie auf zu hinterfragen. Sie ist eine wahre Künstlerin! Und von seltener Sensibilität. Ich konnte mit ihr reden, während ich mein Buch schrieb. Ich habe viel gelernt, es war unglaublich. Brecht ist ein bisschen eine Schutzfigur von ihr. Jemand musste das in einem Buch erklären. Und ich hatte gesehen, dass es bisher kein Deutscher getan hat (lacht), also habe ich kleiner Franzose losgelegt! Was fasziniert dich an Nina? Alles an ihr. Sie ist eine Künstlerin von unermesslicher Menschlichkeit. Ihr Talent ist unglaublich. Sie ist lustig und berührend zugleich. Ich liebe sie einfach! Als ich ein Kind war, habe ich sie oft im französischen Fernsehen gesehen, da sie Ende der 1980er und Anfang der 1990er in Paris lebte. Ich hoffe, ihr neues Album erscheint bald, ich vermisse sie! Und an Dackeln? Dackel sind faszinierende kleine Hunde. Sie stammen aus Deutschland ... (Ja, ich habe einen Tropismus zu Deutschland, ich muss in einem früheren Leben Deutscher gewesen sein.) Mein Buch über sie zeigt viel über Dachshunde. Schriftsteller wie Vladimir Nabokov, Colette, Elizabeth von Arnim, Michel Houellebecq und viele andere haben über diese kleinen Hunde mit ihrer unglaublichen Morphologie geschrieben. Dadurch haben sie auch ein komisches Potenzial (wie im Film THE UGLY DACHSHUND von Disney) und sie waren bei vielen Königen in Mode (Queen Victoria war ein Fan!). In Passau ist ihnen sogar ein Museum gewidmet. Auch viele Künstler wurden inspiriert, wie Picasso, Hockney, Warhol, Bonnard, oder Fotografen wie Elina Brotherus und Cartier-Bresson, um nur einige zu nennen. Und viele, viele andere! Leider wurde er auch für Nazi-Propaganda verwendet. Kurzum, es gibt viel über diesen Hund zu sagen und mein Buch ist voller Anekdoten. Ich hoffe, dass eines Tages auch Deutsche meine Bücher lesen können. *Interview: Michael Rädel www.instagram.com/lilianauzas
COMIC Doppelleben musste sein Buch Im 20. Jahrhundert war es auch bei uns noch viel, viel schwerer schwul oder queer zu leben. Begegnungen wurden strafrechtlich verfolgt, Gefängnis, Ächtung und auch Isolation von der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft drohten, wenn bekannt wurde, dass man sein eigenes Geschlecht liebt. Mit dieser – in vielen Ländern der Welt immer noch aktuellen – Situation beschäftigt sich „Parallel“ von Matthias Lehmann, das gerade erschienen ist. Es erzählt die fiktionale, aber an das Leben eines schon verstorbenen Verwandten angelehnte, Geschichte eines Mannes, Karl Kling, der zwischen den 1950ern und 1980ern in der BRD ein Parallelleben zwischen seiner Rolle als biederer Familienvater und eben seiner eigentlichen Sexualität führt. Beobachtet von neugierigen Nachbarn, verurteilt von der enttäuschten Ehefrau. Ein mitunter beklemmender Comic, der exemplarisch für unzählige Schicksale steht. Das Debüt des Leipziger Zeichners macht erfahrbar, wie schwer es war, sich zu outen – und weckt damit auch Verständnis für ältere prominente Homosexuelle, etwa für den unlängst verstorbenen Alfred Biolek. Wenn man sich so lange verstecken musste, feiert man nicht plötzlich selbstbewusst sein Coming-out. Im Falle von Alfred Biolek war sein Outing durch Rosa von Praunheim eine Befreiung, etwas Gutes. In dem Buch sieht man aber, warum viele Queers so lange zögerten oder sich auch heute noch verstecken. Ein lehrreiches, lesenswertes und auf seine Art auch unterhaltsames – nicht düsteres – Buch. *rä www.reprodukt.com BILDBAND BOWIE in 243 brillanten Bildern 25 Fotografinnen und Fotografen versammelt dieser pralle Bildband „David Bowie: Foto“, der dem genialen Musiker ein wunderbares optisches Denkmal setzt. FOTO: KEVIN CUMMINS Zu sehen ist auf über 350 Seiten Kunst von Größen wie Greg Gorman, Andrew Kent, Markus Klinko, Geoff MacCormack, Janet Macoska, Terry O‘Neill, Denis O’Regan, Norman Parkinson, Mick Rock, John Scarisbrick, Steve Schapiro, Barry Schultz und Masayoshi Sukita (er schoss 2009 David Bowies letztes offizielles Porträt). Im Zentrum steht natürlich immer der bisexuelle Avantgarde- Künstler, Popstar und Schauspieler David Bowie (8.1.1947 – 10.1.2016), jener Musiker, der mit „Starman“, „Heros“, „China Girl“, „Under Pressure“, „Space Oddity“, „Ashes to Ashes“ und „Let’s Dance“ Musikgeschichte schrieb und Kritikerherzen entzückte. „David Bowie: Foto“ ist eine Zeitreise von 1967 bis in die frühen Nullerjahre, zu sehen sind Porträts und Albumcover, Probenund Auftrittsbilder, Kunstfotos und Schnappschüsse – es beginnt aber mit einer persönlichen Einführung von George Underwood, selbst Künstler, Musiker und David Bowies lebenslanger Freund. „David Bowie: Foto“ ist ein hochwertiges Muss für alle, die sich mit Musik, Popmusik und auch queerer Kunst beschäftigen. *rä „David Bowie: Foto“, 356 Seiten mit 243 Fotografien, Hardcover, ISBN 978-3-9820207-8-5, das Buch erscheint am 24. September beim Verlag Salz und Silber, www.salzundsilber.de
FEBRUAR 2021 / MÄRZ 2022 І HEFT 4
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