12 SZENE GASTBEITRAG Jugendschutz und Sexarbeit im Netz FOTO: LUDOVIC TOINEL / UNSPLASH Im Frühling veröffentlichten wir einen ersten Gastbeitrag zu einer Welle von Jugendschutzverfahren, die unter anderem die Landesmedienanstalt NRW gegen Twitter-Nutzer losgetreten hatte und die für reichlich Verunsicherung sorgten. Darf ich trotz Hinweis auf Ü-18-Content, solchen nicht posten? Wenn doch, was droht? Warum wird nicht Twitter selbst erst einmal tätig bzw. zur Tat getragen? Fragen über Fragen, zu denen unsere Gastautoren Tim und Julian von BLESH jetzt vertiefend Auskunft geben. KURZER REMINDER: NEHMT EUCH EINEN ANWALT! IMMER! Im März erhielten wir einen Brief von der Berliner Polizei und fanden darin den Vorwurf der Verbreitung pornografischer Schriften – ein Vergehen nach §184 Strafgesetzbuch. Wir möchten uns als Beschuldigte doch bitte binnen 14 Tagen äußern. Leider hatte der bearbeitende Polizist komplett ausgelassen, um welchen Tathergang und um was also genau es eigentlich ging. Das dafür vorgesehene Feld wurde einfach leer gelassen, so dass wir zunächst dort anrufen mussten, um Informationen zu erhalten. Eine Aussage zur Tat haben wir natürlich nicht getätigt. Denn als Beschuldigte in einem Strafverfahren ist man tunlichst besser beraten, zuerst einen Anwalt zu befragen. DIE RECHTSGRUNDLAGEN UND DEREN ANWENDUNG DURCH BEHÖRDEN Was ist der Paragraf 184 aus dem Strafgesetzbuch eigentlich? Was sind bei einem Vergehen dieser Art die Konsequenzen? Natürlich hatten wir viele Fragen. Dieser Paragraf besagt im übertragenen Sinn zunächst, dass niemand pornografische Inhalte veröffentlichen darf, wenn nicht sichergestellt ist, dass Minderjährige diese nicht einsehen können. Was wir nun wussten, war in jedem Falle, dass die Landesmedienanstalten unseren Twitter-Account @tim_blesh ins Visier genommen und darauf pornografische Bilder und Videos gefunden hatte. Weil es gänzlich an einer wirksamen Altersverifizierungskontrolle vor Zugriff auf die Inhalte fehlte, wurde unser Profil auf eine Liste gesetzt und schlussendlich zur Anzeige gebracht. Die Ermittlungsbehörden hatten nun aktiv einen Auftrag auch gegen uns zu ermitteln. Die Landesmedienanstalten haben die Aufgabe alle verfügbaren und gängigen, vor allem nunmehr Tele-Medien stets auf kinder- und jugendgefährdende Inhalte zu kontrollieren. Die Landesmedienanstalt aus Nordrhein-Westfalen setzt hierfür sogar eine eigene Software ein, welche sie sich von einer Berliner Firma hat entwickeln lassen. In unserem Falle wurde behauptet, dass es nicht zum Einsatz dieser Software gekommen sei. Studentische Aushilfskräfte würden seit jeher täglich das Internet nach gefährdenden Inhalten durchsuchen. Natürlich glauben wir das nicht, denn die Möglichkeiten, durch ein automatisiertes Programm gezielt nach Schlüsselworten, Bildern oder Ähnlichem suchen zu können, bietet nicht nur Einsparungen bei Zeit und Personal, sondern ist sicherlich nicht zuletzt auch ein Quotenschlager und ein Grund mehr, Medienanstalten die finanzielle Grundlage zu bieten. Wir Steuerzahler finanzieren somit unsere eigene, ausgiebige Internet-Überwachung. Nun gut. KI hin oder her, das Ergebnis ist das Gleiche. Im besten Falle endet ein Verfahren durch Einstellung ohne eine Geldauflage – also ohne die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages an den Staat oder ggf. einer Opfereinrichtung. Es gibt bei solchen Erstvergehen somit auch keinen Bundeszentralregister-Eintrag und man ist natürlich auch nicht vorbestraft. Man sollte aber nicht vergessen, dass die ermittelnde Behörde – unsere Polizei – natürlich erworbene Erkenntnisse niemals löschen. So kann es passieren, dass man bei späteren zufälligen Personenkontrollen oder sonstigen Kontakten mit der Polizei, wo eigene Personendaten den Beamten angezeigt werden, schief angeschaut oder intensiver befragt wird. Es kann also zu einer Stigmatisierung kommen. Die
Landespolizeigesetze machen es möglich, dass gewisse Daten, Erkenntnisse, Verfahren und Ermittlungen zur künftigen „Gefahrenabwehr“ nicht gelöscht werden. Noch besser, die Politik arbeitet jetzt bereits an neuem Prozedere, damit Landespolizei und Bundespolizei noch mehr Informationen uneingeschränkt und schnell teilen können. Macht auf den ersten Blick sicherlich Sinn, doch dies wäre eine andere Story. Wir mussten nun zunächst also die sogenannte Akteneinsicht abwarten. SCHLAND IST ÜBERALL, ZUMINDEST SEIN JUGENDSCHUTZ In der Zwischenzeit konnten wir uns mit anderen Betroffenen vernetzen und auch über die Landesgrenzen Berlins hinaus austauschen. Für uns stand zunächst die Frage im Raum, wer trägt eigentlich bei so einem gelagerten Fall die reale Verantwortung. Als einfache nutzende Person einer in den USA ansässigen Plattform wie Twitter ist man selbst doch nicht in der Lage auch nur ansatzweise Jugendschutz zu betreiben oder irgendeine Software auf deren Systeme zu installieren. Zudem verbietet dieser Anbieter in seinen Richtlinien zur Nutzung nirgendwo das Uploaden von einfachem pornografischen Inhalt, so dass für die anwendenden Personen nicht sichtbar ist, dass ein Upload ohne Alterssperre strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Doch die Landesmedienanstalten von Deutschland sehen dies genau wie auf den Webseiten von anbieten dürfen. Es drohen Netzsperren (google: 27.04.2023, Spiegel-Bericht „Gericht verpflichtet Pornoportale zur Altersüberprüfung“)! ORGANISIERT EUCH, ERREGT EUCH! Uns beiden, Tim und Julian – dem reisenden, pornoschaffenden Paar aus Deutschland, wurde nunmehr sehr deutlich vor Augen geführt, worum es im Kern dieser Politik geht. Natürlich respektieren wir geltende Gesetze und akzeptieren bei Vergehen auch die Konsequenzen. Jedoch muss gerade jetzt eine weitere Diskussion in der Gesellschaft und Politik angestoßen werden, damit nicht am Ende doch wieder der einzelne Mensch unter dem Ping-Pong der Regeln leiden muss, so wie es derzeit ist. Nur als Beispiel: Wenn der Twitterboss blaue Haken für verifizierte Profile verkauft, warum macht er es nicht gleich auch mit roten Haken für Pornoprofile? Warum werden die großen Social-Media-Unternehmen nicht auch in die Lage versetzt, nur altersverifizierten Profilen Zugang zu (privat) pornoschaffenden Persönlichkeiten zu gewähren? Durch die seit November 2022 laufenden polizeilichen Ermittlungen gegen hunderte Personen (jeden Monat aufs Neue bis heute) aus dem gesamten Bundesgebiet, welche Pornoinhalte unwissentlich dem Gesetz widersprechend ohne Altersschutz veröffentlichen, werden Menschen eingeschüchtert, kriminalisiert und eventuell weiter stigmatisiert. Uns sind Fälle bekannt aus Hamburg, wo pornhub, xhamster, xvideos und Co eben ganz anders. Egal, woher ein Tim und Julian Staatsanwaltschaften Verfahren ohne auferlegte Geldzahlungen Anbieter stammt, er hat Sorge dafür zu tragen, dass eben in Deutschland der Jugendschutz gewahrt wird. Seit Jahren schon gibt es zwischen den deutschen Landesmedienanstalten und den großen Playern in der Pornobranche, wie Pornhub, xhamster und eben Twitter, Streit wegen der Missachtung des deutschen Jugendschutzes. Deutschland nimmt in Europa also auch eine Vorreiterrolle in Sachen Jugendschutz ein. Es gibt jüngst die Bestätigung eines Urteils am Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen einige große Pornoportale, demnach diese für deutsche User und in Deutschland generell keine frei zugänglichen Pornoinhalte mehr eingestellt haben. Hier bedurfte es wohl nicht einmal eines Anwaltes für die betroffenen Personen. In den Ländern Berlin und Brandenburg sind Fälle bekannt, wo Verfahren mit anwaltschaftlicher Begleitung nur gegen Zahlung von 300 Euro eingestellt worden sind. Jüngst erfuhren wir aus dem Lande Bayern, dass sich mindestens ein betroffener Mensch ohne vorherige Anhörung durch die dortige Polizei sogleich einer Hausdurchsuchung mit Herausgabe aller elektronischer Geräte konfrontiert sah. Dies macht der Föderalismus, also die sog. „Ländersache“ zu verschiedenen Themenfeldern möglich. Es gibt in Bayern derzeit tatsächlich
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