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männer* | III/23

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GESUNDHEIT / RHEUMATOLOGIE STIGMATISIERTE VOLKSKRANKHEITEN: SCHUPPENFLECHTE, RHEUMA UND STI Das ICH Hamburg-Stendal ist eine der renommiertesten Anlaufstellen für Männergesundheit der Region. Lange Jahre war Professor Hans Jürgen Stellbrink im ICH Grindel einer der Ansprechpartner, sein Nachfolger heißt Dr. med. Guido Schäfer. Im ausführlichen Gespräch vernetzt der Facharzt für Rheumatologie und Infektiologie beide Fachbereiche auf für viele vielleicht unerwartete Weise. Rheuma war für mich und viele, die ich kenne, lange etwas, das Opa hatte. Inzwischen kenne ich einige weitere zum Beispiel aus dem Bereich der Autoimmunkrankheiten … Ja, das ist an sich schon sehr interessant. Häufig verwechseln Menschen Rheuma mit Arthrose, also Gelenkverschleiß. Aber eigentlich ist das nicht das, um was der Rheumatologe sich kümmert. Es handelt sich um ein großes und vielfältiges Fachgebiet, das viele entzündlich bedingte Erkrankungen umfasst, von denen einige auch sehr selten sind. Wenn man jedoch die beiden häufigsten Gruppen betrachtet, die rheumatoide Arthritis und die sogenannten Spondylarthritiden – Wirbelsäulen-bezogene Rheumaerkrankungen, zu denen auch viele weitere Unterformen gehören –, kann man davon ausgehen, dass allein in Deutschland ein bis zwei Millionen Menschen oder vielleicht sogar noch mehr betroffen sind. Es handelt sich also durchaus um Volkskrankheiten. Du hast zwei große Gruppen angesprochen. Was gehört denn jetzt alles dazu? Vielleicht zunächst etwas zu den Spondylarthritis-Formen. Dazu gehört zum einen der klassische Morbus Bechterew, wie er früher genannt wurde. Heutzutage versuchen wir, die historisch gewachsene Bezeichnung von Erkrankungen nach teilweise problematischen Persönlichkeiten zu verlassen und systematische Bezeichnungen zu verwenden. Bei der Spondylitis ankylosans (ehemals Morbus Bechterew) dachte man interessanter Weise früher, dass hauptsächlich (junge) Männer betroffen sind. Inzwischen weiß man aber, dass wahrscheinlich genauso häufig Frauen betroffen sind, bei denen sich Spondylarthritiden aber etwas anders manifestieren. Weiterhin sind mit der Gruppe der Spondylarthritiden auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sowie verschiedene Mischformen assoziiert, bei denen beides auftreten kann. Nicht zuletzt ist auch die Schuppenflechte (Psoriasis) mit dieser Erkrankungsgruppe assoziiert und kann auch zu Entzündungen an Sehnen, Wirbelsäule und Gelenken führen, was dann als Psoriasisarthritis bezeichnet wird und vermutlich stark unterdiagnostiziert ist. 48 3/2023

Schuppenflechte verbindet man landläufig glaube ich weniger mit Rheuma … Ja, total. Die Schuppenflechte an und für sich ist eine Erkrankung, die eigentlich beim Dermatologen beim Hautarzt behandelt wird in Deutschland, aber es gibt dabei immer wieder sehr viele Assoziationen mit Gelenk- und Wirbelsäulenerscheinungen, die eigentlich rheumatologisch vorgestellt werden sollten. Wie sind deine Erfahrungen mit Stigmatisierung? Schuppenflechte wird ja oft auch als „bäh“ lieber totgeschwiegen … In der Uniklinik, in der ich meine Ausbildung gemacht habe, hatte ich eine interessante Position. Ich war dort gleichzeitig in der Rheumatologie, aber auch in der Infektiologie. Beide Abteilungen waren auf dem gleichen Flur. Ich habe da manchmal schon Berührungsängste wahrgenommen in der Rheumatologie. Ich hatte einmal einen Patienten, da hatte meine Kollegin mich dann gefragt ‚du da steht aber, der war in der Gaysauna, ich will den eigentlich nicht sehen. Das ist mir irgendwie unangenehm’. Auch wenn es um HIV geht zum Beispiel, nehme ich wahr, dass da gewisse Berührungsängste sind. Dass die Rheumatologen schnell sagen, ‚ach, die Gelenkentzündung hat bestimmt etwas mit HIV zu tun, das soll mal der HIV-Facharzt machen‘. Andersrum haben viele HIV-Behandler von den modernen Entwicklungen in der Rheumatologie teils wenige Kenntnisse und das ist sicher ein Nachteil, zu mal die neuen und modernen Medikamente dann nur mit sehr großer Zurückhaltung eingesetzt werden, obwohl auch HIV-Positive sehr profitieren würden. Also ich sehe in beide Richtungen durchaus Überlappungsprobleme und Berührungsängste. Dann bist du im ICH Hamburg-Stendal ja wirklich an einer guten Position, um hier Brücken zu bauen zum Wohl der Patient*innen. Aber nochmal zurück: Warum wird man gerade in der Ärzteschaft Stigmata nicht los? Ich glaube, weil sich das so tief eingebrannt hat. Ich habe einige Zeit in Vorträgen gerne Poster gezeigt. Die sind gar nicht so alt. Da sieht man dann ein Paar in der Leichenhalle oder wie eine Frau einem Mann einen bläst, aber anstatt des Penis sieht man eine Pistole. Solche Bilder und die damit transportierte Problematik ist so tief eingebrannt, das HIV etwas Schmutziges ist, das wird man wirklich nicht los. Selbst bei jungen Menschen nicht. Ich hatte letzte Woche einen ganz jungen Menschen mit einer neuen HIV-Diagnose. Ein schwuler junger Mann, der mir sagt, er fühle sich schmutzig. Es wundert mich, dass das so tief drin in unserer Gesellschaft, aber klar ist dann auch, das sich das natürlich in die vielleicht auch etwas konservativeren Teile der Ärzteschaft reinzieht. Rheuma wird aber umgekehrt nicht als so schmutzig stigmatisiert, oder? Kommt drauf an. Wenn du die Schuppenflechte nimmst, die vielleicht am Kopf ganz schlimm ausgebrochen ist, dann hat sie schon das Image, dass man sich nicht gut pflegt und nicht wäscht oder sowas. Es gibt auch eine Rheumaform, die unter MSM und auch bei uns in der Praxis häufiger auftaucht. Die reaktive Arthritis tritt oftmals nach Geschlechtskrankheiten auf. Früher nannte man sie Morbus Reiter, aber Herr Reiter war tatsächlich eine dieser problematischen Personen. Der hat mit den Nazis zusammengearbeitet. Also reaktive Arthritis zeigt sich in Knieentzündungen oder auch Entzündungen der Sprunggelenke, die so ungefähr sechs Wochen nach einer Geschlechtskrankheit auftreten. Die gibt es zwar auch noch nach Durchfallerkrankungen, aber typischerweise eben nach Tripper oder Chlamydien. Das taucht dann gar nicht mal so selten bei Menschen auf, die die PrEP nehmen und so schließt sich auch da wieder der Kreis zwischen „schmutzigen“ STI und Rheumaerkrankungen.. Wir haben noch viel zu tun in Sachen Stigma. *Interview: Christian Knuth ich-hamburg-stendal.de 49

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