SEXUALITÄT ▶BILD: KILost BoysDie KrisemännlicherIdentitätWelche gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Faktoren tragen zudieser Krise bei, und wie wirken sie sich auf Individuen, soziale Gruppen undschließlich auch auf die Gesellschaft als Ganzes aus? Gerade in einem queeren Kontextzeigt sich, dass die Vorstellungen von Männlichkeit vielfältiger sind, als es diestarren Rollenzuschreibungen der Vergangenheit vermuten lassen.Was verstehen wir unter „Kriseder Männlichkeit”?Traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit –etwa Stärke, Unabhängigkeit, emotionaleZurückhaltung oder Versorgerrolle – sindhistorisch gewachsen und wurden lange alsselbstverständlich betrachtet. Doch schonseit den 1990er Jahren rücken Forschendeund gesellschaftliche Akteur*innen diesevermeintlichen Gewissheiten zunehmend inden Fokus: Männlichkeit ist weder monolithischnoch statisch, sondern stets im Wandelbegriffen. Wenn von einer „Krise der Männlichkeit“gesprochen wird, so bedeutet dies, dasstradierte, oft patriarchale und hierarchischgeordnete Rollenbilder im Zuge gesellschaftlicherVeränderungen brüchig geworden sind.40 I/25
Text: Christian KnuthHeute erleben wir eine Situation, in der alte Sicherheiten schwinden:Feministische Bewegungen, neue Familienmodelle, die erhöhte Sichtbarkeitqueerer Lebensweisen sowie ökonomische Veränderungen erschütterndie alten Gewissheiten.Diese Krise ist aber kein singuläres Ereignis. Bereitsin früheren Zeiten – etwa nach Kriegen oderin Phasen massiver sozialer Umbrüche – wurdeder „Mann“ neu verhandelt. Männer stehen vorder Herausforderung, ihre Rolle neu zu definierenund tun sich damit mitunter schwer.Gesellschaftliche und wirtschaftlicheVeränderungen als UrsachenEin wichtiger Treiber der Krise der Männlichkeitsind tiefgreifende ökonomische Umbrüche.Während einst körperlich dominierteIndustrien vielen Männern einen sicherenPlatz in der Arbeitswelt boten, stehen diesetraditionellen Sektoren heute nicht selten vordem Aus. Automatisierung, Globalisierungund der Strukturwandel führen dazu, dassMänner im industriellen und handwerklichenBereich häufiger von Arbeitslosigkeit und Ausgrenzungbetroffen sind. Diese Entwicklungenwerden als Marginalisierung wahrgenommen:Männlichkeit, die sich lange über beruflichenErfolg und finanzielle Absicherung definierte,gerät ins Wanken.Zugleich eröffnet die Bildungsexpansion neueChancen für Frauen, die zunehmend höhereAbschlüsse erlangen. Während an der Spitzeder Gesellschaft weiterhin auch viele Männerstehen, fällt ein Teil der männlichen Bevölkerungsozial und wirtschaftlich zurück. Diedurch Bildung und Einkommen entstehendeSchere wird so auch zu einer Klassenfrage derMännlichkeit. Diese Polarisierung verstärktdas Gefühl mancher Männer, nicht mehr dentraditionellen Ansprüchen zu genügen.Psychologische und sozialeDimensionen der KriseDer Verlust vertrauter Rollenbilder hinterlässtbei vielen Männern innere Spannungen. Diebislang bewährten „Leitplanken“ brechenweg, die Identitätskonstruktion gerät insStolpern. Häufig resultieren daraus Verunsicherung,emotionale Überforderung und eingesteigerter psychischer Druck. Männlichkeitsentwürfe,die weiterhin auf Dominanzund emotionale Härte setzen, können alsAbwehrmechanismen gegen Veränderungenfungieren: Es entsteht ein Klima, in dem Anti-Feminismus, Homophobie und ein Festhaltenan alten Geschlechterstereotypen als scheinbareAntwort dienen. Diese Tendenzen sindjedoch Ausdruck innerer Konflikte und Unsicherheiten,die nicht selten in psychischenBelastungen münden. Und in Radikalisierung,wie wir später noch vertiefen werden.Männer sprechen im Vergleich zuFrauen seltener über ihre Emotionen,suchen seltener Hilfe in Krisen undhaben nachweislich höhere Suizidraten.Diese Häufung psychischer Probleme ist nichtallein auf genetische oder medizinische Faktorenzurückzuführen, sondern hat tiefe gesellschaftlicheWurzeln. Die Schwierigkeit, sichvon toxischen Männlichkeitsnormen zu lösen,kann ein Hindernis sein, innere Konflikte zubenennen und konstruktiv zu bearbeiten.Historische Perspektiven undkulturelle DarstellungenDie Idee einer Männlichkeitskrise ist historischbetrachtet kein Novum. Immer wieder tauchtesie im Kontext großer gesellschaftlicherUmwälzungen auf. Auch in Medien, Film undLiteratur wird die Krise der Männlichkeit thematisiert:Nicht selten dienen narrative Motiveder „verlorenen Männlichkeit“ als Spiegelungdes Zeitgeistes. Diese kulturellen Repräsen-41
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