8 SZENE LEBEN ALS AGENDER PERSON „Nicht verstanden zu werden, tut weh“ Bei CSD hat man sie wieder gesehen, die vielen Farben und Flaggen des queeren Spektrums und dessen unterschiedlichen Identitäten. Die agender Pride Flag dürfte so manchen (noch) nicht bekannt sein: Wir haben die agender Person Lilith R. (27) getroffen. Dey studiert Soziale Arbeit und engagiert sich unter anderem bei der Grünen Jugend. Lilith, gab es so etwas wie ein agender Coming-out für dich? Ja, ich habe mich offiziell im Mai 2022 geoutet. Enge Freund*innen wussten schon davor Bescheid und waren auch bei meiner „Findungsphase“ dabei, wofür ich ihnen unendlich dankbar bin. Das Coming-out bei der Familie jedoch war schwieriger: Obwohl sie sehr progressiv und queerfreundlich ist, verwenden sie meine Pronomen „they/them“ oder deutsch „dey/deren“ meistens immer noch nicht richtig. Von der eigenen Familie teils nicht verstanden zu werden, tut mehr weh als vermutet. Fühlst du dich in deiner Identität außerhalb der Familie verstanden? Das kommt ganz darauf an in welchem Umfeld ich mich gerade befinde. Bei engen Freund*innen muss ich mich nicht erklären und meine „neuen“, also richtigen Pronomen wurden direkt angenommen. Einige Leute in meinem Freundeskreis sind auch selbst nicht cis, daher ist das auch kein Problem für uns alle. Bei meinen Freund*innen in der Uni musste ich mich auch nicht unbedingt erklären, nachdem ich mich das erste Mal „geoutet“ habe. Dennoch haben bis heute viele cis Freund*innen noch Probleme meine Pronomen richtig zu benutzen und greifen meistens nur auf meinen Namen zurück. Wie reagieren neue Bekannte, potenzielle Partner*innen, wenn du ihnen davon erzählst? Die meisten reagieren mit Neugierde, weil sie noch nicht so viel Kontakt mit nicht-binären Menschen hatten. Meistens verhalten sie sich akzeptierend und fragen dann nach meinen Pronomen und wie sie diese richtig benutzen müssen. Manchmal stellen sie aber auch sehr viele, auch unangenehme Fragen und benutzen mich fast FOTO: PRIVAT
schon als Lexikon. Aber meistens kläre ich gerne über queere Themen auf. Was sind deine größten Probleme/Themen in diesem Zusammenhang? Es kommt vor, dass ich mich in meiner Geschlechtsidentität nicht ernst genommen fühle, weil Freund*innen und Familie immer wieder falsche Pronomen für mich benutzen. Schlimmer ist: Wenn der Wille grundsätzlich fehlt oder Leute super gleichgültig sind, finde ich das respektlos und verletzend. Das macht den Alltag als agender Person mit nicht-binären Pronomen extrem schwierig und anstrengend. Es ist aber zugegeben nicht ganz einfach für cis Personen, sich darauf einzustellen … Manche brauchen Zeit, sich an neue Pronomen zu gewöhnen, was ich auch verstehen kann. Und ich habe kein Problem damit, wenn nur mein Name benutzt wird, aber manchmal werden selbst da Fehler gemacht, beispielsweise mit falschen Artikeln davor. Dazu kommt aber auch, dass genderneutrale Pronomen in der deutschen Sprache noch nicht so gängig sind, wie es sich queere Menschen wünschen würden. Ein Lichtblick: Sprache wandelt sich und wenn Deutschland es mit dem Gendern langsam (sehr langsam) auf die Reihe bekommt, werden auch genderneutrale Pronomen bald keine Rarität mehr sein. Was würdest du dir von der Politik wünschen? Als erstes natürlich ein Selbstbestimmungsgesetz, das seinen Namen verdient und wirkliche Verbesserungen für trans* und nicht-binäre Personen bringt. Dazu gehört beispielsweise die Übernahme medizinischer Leistungen etwa bei der Transition durch Krankenkassen auch für nicht-binäre und agender Personen. Außerdem sollten Gesetze und offizielle Texte gegendert werden, damit auch nicht-binäre und agender Personen explizit von offiziellen Stellen einbezogen werden. Nicht zuletzt wünsche ich mir ein schärferes Vorgehen gegen Hatecrimes. Dazu gehört für mich auch eine Sensibilisierung zu INTA* (= Intersex, nicht-binär, trans*, agender) Themen durch Weiterbildungsoffensiven für Lehrkräfte, Polizei oder Standesbeamt*innen. Und welche Wünsche hast du an die LGBTIQ-Community? Trans* Personen gehören genauso zur queeren Community wie auch cis Personen. Da einen Unterschied machen zu wollen schadet nur der gesamten Community und bringt keinerlei Vorteile für queere cis Personen. Leider gibt es auch innerhalb der Community oft noch viele Vorurteile oder Unverständnis gegenüber INTA* Personen, deshalb wünsche ich mir dazu mehr Akzeptanz, Sensibilität und Respekt. Aber auch innerhalb der INTA* Community kommt es zu toxischem und exkludierendem Verhalten. Deshalb: Der Kampf für eine progressive, weltoffene und queerfreundliche Gesellschaft ist nicht möglich, wenn es selbst in der Community zu Streitereien kommt. Dieser Kampf muss Hand in Hand geführt werden. Interview: Bernd Müller Die agender Pride Flag wurde 2014 von Salem X entworfen. Agender steht für Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen oder die mit dem Konzept von Geschlecht nichts anfangen können, genderless sind und für sich kein Geschlecht definieren können. Schwarz und Weiß stehen jeweils für das vollständige Fehlen von Geschlechtsempfinden, Grau für die Zwischenstufen, also semi-gender, und Grün steht für nicht-binäre Geschlechtsidentitäten, da es die komplementäre Farbe zu Lila ist, der Farbmischung aus Rosa/weiblich und Blau/männlich.
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