14 POLITIK DRAG PROTEST SKANDAL KOLUMNE VON FELIX MÜLLER FOTO: ANASTASIYA DALENKA In seiner kommunalpolitischen Kolumne schreibt AZ-Lokalchef Felix Müller in diesem Monat über die Debatte um die Draglesung für Kinder in Bogenhausen – und die Frage, was die über das Klima in unserer Stadt aussagt. Es ist eine Geschichte mit vielen Volten. Die viel aussagt über den Support, den die Szene in dieser Stadt hat, darüber, wie Debatten auch in der Großstadt in diesen Jahren laufen, darüber, wie dünn das Eis oft wird bei Gegenwind, wie nichtssagend im Zweifelsfall all das Toleranz-Gerede ist, mit dem sich Stadtpolitiker*innen gerade in den Wochen vor- und während des CSDs Regenbogenfahnen-schwingend so gerne schmücken. Die Münchner Draglesungs-Debatte begann mit einem Tweet des CSU- Stadtrats Hans Theiss. "Sexualkunde durch Drag Queens für 4-jährige Kinder – ist das wirklich Euer Ernst?“, schrieb er da zu einer Veranstaltung der Stadtbibliothek in Bogenhausen für Kinder. Die hatte eine Drag-Lesung für Kinder beworben, bei der Vicky Voyage und Eric Big Clit Kinderbücher über bunte Lebenswelten lesen sollten. So weit, so unproblematisch sollte man meinen. Vielleicht hätte die Stadtbibliothek Eric Big Clit nicht unter diesem Künstlernamen bewerben sollen. Andererseits: Warum genau eigentlich nicht? Theiss auf jeden Fall löste eine aufgeregte Debatte aus, nicht nur in den Sozialen Medien, wo die Zündschnur oft so kurz ist wie die Bösartigkeit groß, mit der Dragkünstler zu Pädophilen gemacht werden. Doch auch prominente Gesichter aus der Parteipolitik dachten offenbar (zumindest für einen kurzen Moment), sie könnten mit Kritik an der Lesung bei den vermeintlich „ganz normalen Leuten“ punkten. Vize- Ministerpräsident Hubert Aiwanger war sich nicht zu blöd, in der „Bild“ zu giften: „Das ist Kindswohlgefährdung und ein Fall fürs Jugendamt“, OB Dieter Reiter gab in eben jenem Fachblatt für kindgerechte Erziehung zu Protokoll: „Ich habe für diese Art Programm kein Verständnis und glaube nicht, dass das für Vierjährige geeignet ist.“ Er selbst, betonte Reiter, würde mit seinen Enkeln nicht zu der Lesung (die laut seiner Stadtbibliothek ab vier Jahre geeignet sein sollte) gehen. Es ist sehr, sehr selten, dass sich aus der Münchner SPD irgendeine Kritik an ihrem OB regt. So gesehen war es wirklich bemerkenswert, dass sich in der Abendzeitung mit dem Bundestagsabgeordneten Sebastian Roloff zumindest ein Mandatsträger aus der vorderen Reihe – wie auch die Jusos – mit einer vorsichtig formulierten, aber eben doch öffentlichen Kritik öffentlich hervortaten. Auch Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl und etliche Grüne äußerten sich verwundert bis verärgert über Reiters Aussagen. Bei den CSD-Vertretern selbst soll sogar im Raum gestanden haben, dass Reiter nicht mehr die Parade anführen dürfen könnte. Doch der OB ruderte schnell wieder zurück, traft sich mit Vertretern der Community, entschuldigte sich öffentlich und betonte, ein Verbot sei nie im Raum gestanden. Schwerer tat sich die CSU, die offenbar überrascht worden war von den heftigen Protesten, wieder nicht mit einem Wagen bei der Parade mitfahren darf und doch mit ihrer Stadtratsfraktion (und der Landtagskandidatin Susanne Hornberger) um die Community wirbt. Doch die Debatte war aufgeregt in der Welt – und nahm in den Tagen vor der Lesung wieder an Fahrt auf. Die AfD plakatierte großflächig „Hände weg von unseren Kindern“, ein geschminkter Mann nähert sich auf dem Bild in offenbar übergriffiger Absicht einem Buben. Das KVR prüfte ein Verbot – und sah dann keine Möglichkeit dazu. Doch viele Münchner*innen nahmen die Sache selbst in die Hand – und überklebten oder beschädigten die Plakate an etlichen Stellen der Stadt. Am Tag der Lesung selbst sagt ein Trans-Mädchen nach Drohungen gegen sie und ihre Familie die Teilnahme ab, die Polizei bildet einen Korridor vor der Stadtbibliothek, war mit vielen Kräften vor Ort. Ein unwürdiger Rahmen für eine Kinderlesung einerseits. Andererseits waren neben etwa 100 Gegendemonstranten viele Hundert Münchner*innen gekommen, um ihren Support für die Veranstaltung zu zeigen. Die Lesung selbst, bunt, nett, unspektakulär, kam bei den Kindern und ihren Familien gut an. Doch dass es ernsthaft mehrere rechte Aktivisten über ein Obergeschoss ins Gebäude schafften und dort nicht von der Polizei, sondern zunächst von Mitarbeitern der Stadtbibliothek gestoppt wurden, hinterlässt einen üblen Geschmack. Ja, diese Geschichte erzählt viel über das bunte München und den großen Support für die Szene. Aber auch darüber, wie vieles noch zu tun ist und wie schwierig viele Debatten auch in einer dem Selbstverständnis nach so toleranten Stadt sind, dann, wenn es ganz konkret wird und die alten Konservativen, die Neu-Rechten und der Online-Mob frei drehen. FOTO: PRIVAT
15 Oberbürgermeister Wir machen uns stark! Für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen Als Koordinierungsstelle zur Gleichstellung von LGBTIQ* ist es unser Ziel, die LGBTIQ*-Community in München zu stärken und Benachteiligungen abzubauen. Wir machen uns stark. Für LGBTIQ*. Mehr Informationen unter: muenchen.de/lgbti
2010: „BERLINER PATIENT“ Der au
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