44 kultur„WIR BRAUCHENEINE DIGITALEETHIK“FOTO: KI / MAREN BURGHARD / MFKAUSSTELLUNGDr. Annabelle Hornung ist seit dem 1. Januar 2025 die neue Direktorin des FrankfurterMuseums für Kommunikation. Sie hat in Frankfurt Germanistik und Kunstgeschichtestudiert und war zuvor vier Jahre Direktorin des Nürnberger Museums fürKommunikation. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist KI und deren Auswirkungen aufunser Leben, unsere Arbeit und unsere Kommunikation. Künstliche Intelligenz wirdauch Themenschwerpunkt der diesjährigen Ausstellungen im Frankfurter Museumfür Kommunikation: Am 21. März eröffnet in der Reihe „New Realities“ die Schau„Fashion Fakes – KI Fabriken“.O.T., 2025, KI-generiert, Idee/Prompt/Bearbeitung: Maren Burghard für das Museumfür Kommunikation FrankfurtFOTO: STEFANIE KÖSLING, © MUSEUM FÜR KOMMUNIKATION FRANKFURTWie man KI sinnvoll einsetzt,spielerisch-kreativ damit umgehenkann und gleichzeitig die Gefahren undSchwächen der KI nicht aus dem Augeverliert, erklärt Dr. Annabelle Hornungim Interview.Einer Ihrer Aussagen anlässlich derPressekonferenz zu Ihrem Einstand war„Ich bin dagegen, KI immer nur negativzu sehen“ – was sind für Sie die positivenAspekte von KI?Das Positive ist sicherlich, dass bestimmteArbeiten zeitlich beschleunigt werdenkönnen. Noch ist die Nutzung von KI-Programmen günstig, aber ich gehedavon aus, dass sich das ändert. Und eswird Einschnitte ins Arbeitsleben geben,gerade in Bereichen wie Übersetzungoder Grafik, das möchte ich gar nichtverhehlen. KI ist ein Hilfsmittel, das unseresowieso schon beschleunigte Welt nochweiter beschleunigt.Die Frage ist ja: Ist das alles gut?Das ist eine ethisch-philosophische Frage.Das bringt mich zu einem anderen Punkt,über den ich auch in der Pressekonferenzgesprochen habe und den ich wichtigfinde: Wir brauchen eine digitale Ethik.Mit dem Aufkommen des Internets undder Nutzung von Social Media, also derfortschreitenden Digitalisierung müssenethische Prinzipien Hand in Hand gehen.Neue Technologien wie KI verändern unserZusammenleben fundamental. Dafürmuss es globale Mindeststandards geben.Die Bilder, die Sprache und die Verschlagwortung,die in der KI und ihren Datenstecken, sind von unseren menschlichenRassismen und Stereotypen beeinflusst.Die KI ist nicht divers, sondern genausorassistisch, diskriminierend und stereotypwie wir Menschen auch, weil es einemenschgemachte Maschine ist.Lässt sich digitale Ethik per Gesetzregeln?„Love Yourself“, 2025 , KI-generiert, Idee/Prompt/Bearbeitung: Maren Burghard für dasMuseum für Kommunikation FrankfurtIch finde schon. Die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung, Anm. d. Red.) wird ja oftbelächelt oder als hinderliches Regelwerkangesehen, aber ich finde es wichtig, dasses in Deutschland oder in Europa solcheRegularien gibt. Und meiner Meinungnach gehört der „AI Act“ der EuropäischenFOTO: KI / MAREN BURGHARD / MFKKommission dazu. Dieser ist ein Meilenstein,weil es das erste gesetzliche undeuropäische Regelwerk für die KI ist undzum Ziel hat, eine vertrauenswürdige KI inEuropa zu fördern. Wenn jemand wie derMitgründer von OpenAI Sam Altman unterdem Einfluss des neuen amerikanischenPräsidenten steht und Halbwahrheiten inseine KI einprogrammieren lässt, gibt dasProgramm plötzlich Antworten, die falschoder „fake“ sind. ChatGPT ist eben keinfundiertes Wissen wie der Duden oder derBrockhaus.Dr. Annabelle Hornung„Die KI ist nicht divers,sondern genauso rassistisch,diskriminierend undstereotyp wie wir Menschenauch, weil es eine menschgemachteMaschine ist.“Deswegen muss man immer besondersvorsichtig sein und die Leute besonderssensibilisieren, damit sie merken: Moment,irgendwas kann doch hier nicht stimmen?Das versuchen wir als Museum zuvermitteln, damit man nicht alles fürbare Münze nimmt, sondern hinterfragt
kultur 45und Quellen-Recherche betreibt. Wirbieten als Museum Leitplanken in dieserglobalisierten und digitalisierten Welt.Sie sagen auch, dass die Kreativität vonKI begrenzt ist.Aufgrund des Bilderpools, auf den die KIzugreift, produziert sie sehr viele klischeehafteAusschnitte. Das Kreative der KI liegtmeiner Meinung nach in erster Linie inihrer Kombinatorik.Für eine der New-Realities-Ausstellungenwollten wir zum Beispiel Fotos vomRegenwald generieren und bekamenBilder vom Paradies. Das Sujet „paradiesischesStrandbild“ beherrscht die KI sostereotyp wie ein Reisekatalog. Stereotypekann sie wunderbar reproduzieren.Schwierig wird es bei der Darstellungvon Menschen. Gibt man zum Beispiel„CEO“ ein, bekommt man Fotos vonVorstandsvorsitzenden, die alle männlichund oft weiß sind.Besonders visuell ungerecht undrassistisch zeigt sich KI, wenn man zumBeispiel eingibt, ich hätte gerne eineFrau aus Ghana. Dann bekommt manoft Frauen mit exotisch gemusterten,kaftanartigen Kleidern – eben weil es imdigitalen Bildrepertoire viele Fotos vonFrauen gibt, die aus Afrika stammen undgroßgeprintete Kittel anhaben. Da hatman inzwischen zwar etwas nachjustiert,aber es war oder ist nicht ohne weiteresmöglich, eine Frau aus Ghana imBusiness-Anzug darzustellen.Und da kommt man der KI auf die Schliche.Solche Dinge kann man nur vermitteln,indem man KI benutzt. Als Museummöchten wir daher die Besuchenden dieMöglichkeit bieten, KI auszuprobieren undüber diese Bilder und die reproduziertenStereotype und Diskriminierungen zusprechen.Was zeigen Sie in der „New Realities –Fashion Fakes“-Ausstellung?„New Realities“ ist ein Ausstellungs-Konzept, das einen gemeinsamen Nennerhat: Die Arbeit mit generativer KI undPortraitfotos. Diese Portraits sind immerin eine andere Geschichte eingebunden,um die verschiedenen Herausforderungenmit KI zu zeigen.Im Laufe dieser Arbeit ist uns aufgefallen,dass es sehr viel KI-generierteModefotografie gibt. Sehr viele dieser KIgeneriertenModebilder haben mit dem,was Mode ausmacht, also Form oderStofflichkeit, nichts zu tun und würdenin der Realität auch nicht funktionieren.Und auch sie zeigen meist stereotypeModel-Körper. Diesem Trend wollen wirnachgehen. Wir arbeiten unter anderemmit Medienwissenschaftler*innen derUni Marburg zusammen und mit SamuelGärtner, einem Frankfurter Modeschöpfer,der mit uns und KI arbeiten möchte.Zudem haben wir einen Aufruf anKünstler*innen gestartet und Leuteangesprochen, deren Instagram-(Mode-)Bilder uns begeistert haben, weil sie ebengenau keine Stereotype zeigen. Wir wollendie Manipulation, die Stereotype und dievisuellen Ungerechtigkeiten zum Themamachen, auch weil Mode, Kleidung oderUniformen ein ganz wichtiger Teil unserervisuellen Kommunikation sind.21.3. – 11.1.2026, New Realities: FashionFakes – KI Fabriken, Museum fürKommunikation, Schaumainkai 53,Frankfurt, www.mfk-frankfurt.de*Interview: Björn BerndtDas komplette Interview mitDr. Annabelle Hornung gibt’s aufmänner.media/regional/gab
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