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GAB Juli 2017

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MUSIK Kraftvoll:

MUSIK Kraftvoll: INTERVIEW HURTS FOTO: BRYAN ADAMS

MUSIK „Beautiful Ones“ von Hurts ist die Hymne des CSD 2017, und Sänger Theo Hutchcraft könnte darüber nicht glücklicher sein. „Es ist großartig. Wir haben es im Mai erfahren, und das waren fantastische Neuigkeiten!“ Man könnte fast glauben, dass das Lied sogar zu diesem Anlass geschrieben wurde, so gut passt es. „Ja, es ist ein Lied, das Individualität feiert, das dafür gedacht ist, um sich selbst zu feiern – und damit passt es zu den Paraden.“ Dabei war die Inspiration nicht aus einem besonderen Moment geboren, sondern aus der normalen Arbeit. „Wir waren im Studio als einfach diese große, kraftvolle Melodie auftauchte. Und ich wusste, dass ich über dieses Thema schon lange ein Lied schreiben wollte. Ich wollte schon lange sagen, dass es okay ist, wer du bist – denn das ist es, was Menschen ausmacht.“ Aber diese Idee ist nicht nur irgendwo im Text zu finden, das Video zu „Beautiful Ones“ macht den Inhalt ganz explizit und hat keine Angst zu verstören und zu schockieren. Es rollt einen Abend auf, rückwärts in der Zeit erzählt, beginnend mit einem blutenden, verstörten, fast gebrochenen Mann – und wir verfolgen den Weg, der dazu führte. Eigentlich begann der Abend für den Protagonisten als große Feier unter Freunden. Aber Männer im Hintergrund störten sich schon da bereits daran, dass der Mann in Drag unterwegs war … und folgten ihm. Es ist eine brutale, direkte Geschichte, und viel zu nah an der Realität, als dass man sie ignorieren kann. Dabei entstand nicht nur das Drehbuch unter Theos Regie, er hat auch die Rolle des Protagonisten übernommen. „Ich wollte etwas Kraftvolles machen. Obwohl es im Lied darum geht, seine Individualität zu leben, wollte ich zeigen, wie schwer es ist, das zu tun. Wie schwer es in unserer Welt ist, sich selbst zu folgen. Ich wusste, dass es nicht einfach sein wird, dieses Video anzusehen. Es ist intensiv, aber es ist die Realität der Welt, in der wir leben: Viele Menschen können nicht einfach das Haus verlassen und die Person sein, die sie im Innern sind, ohne Angst haben zu müssen – oder ohne sogar Gewalt zu erfahren. Auch wenn es einigen möglich ist, frei zu leben, sollte man das nie als Selbstverständlichkeit ansehen.“ Gerade der gewalttätige Anfang des Videos beißt sich bewusst mit der optimistischen Melodie – und erst am Ende, wenn wir noch im Club sind und das Leben zelebriert wird, finden beide Seiten zusammen. Doch auch da lauern schon die Männer im Hintergrund, die den Protagonisten zusammenschlagen werden. „Deswegen wollte ich es rückgespult erzählen. Am Ende ist es trotzdem am fröhlichsten und leichtesten. Hoffnungsvollsten. Es gibt Gemeinschaften, in denen man frei und glücklich sein kann. Es ist fast wie eine Rache an den Tätern, dadurch dass das Feiern als Schlusspunkt steht. Es geht auch darum, dass man wieder aufstehen muss und kann.“ Obwohl am Anfang des Videos und damit am Ende der Geschichte ein gebrochener Mensch bleibt. „Ja, es eskaliert, bis die Person nur noch müde ist, müde von all dem ...“ Das macht dieses Video so aufregend und ehrlich – es bleibt kein einfaches, naives „Alles wird gut“ stehen, sondern ein erstaunlich differenziertes Abbild des Kampfes um eigene Identität und Freiheit. Warum hat er sich entschlossen, diese Rolle selbst zu spielen? „Da war natürlich die Herausforderung. Und ich empfand es als sehr wichtig, dass ich das selber mache, anstatt einen Schauspieler zu nehmen. Es war meine Message und ich wollte sie auch überbringen. Es erschien mir einleuchtend. Und es hat auch Spaß gemacht, ich habe viel gelernt ...“ Aber hatte er nicht Angst vor diesen brutalen Szenen, die körperlich und emotional nackt entstanden sind. „Ich habe mir Sorgen gemacht, ja. Als ich die Idee entwickelte … es ist so eine ernsthafte Situation, ein ernsthaftes Thema. Aber eben deswegen wollte ich sichergehen, dass ich alles auch richtig umsetzen kann.“ Die Erfahrung des Drehs selber half dabei. „Natürlich haben wir es in der chronologischen Reihenfolge aufgenommen. Ich verbrachte auch beim Dreh am Anfang eine großartige Zeit in Drag … doch am Ende fühlte ich diesen gebrochenen Zustand, nackt auf dem Boden, nachdem ich angegriffen worden war. Die Dramaturgie selbst half mir also sozusagen, es so zu spielen.“ Die Reaktionen zu diesem Video und dem Lied waren und sind großartig, wie Theo dankbar feststellt. „Natürlich gibt es immer einige Leute, die etwas nicht mögen, aber ansonsten waren die Rückmeldungen wirklich noch besser, als wir gehofft haben. Wir hatten Angst, dass wir ein wenig zu weit gegangen sind, aber es scheint, dass es die emotionale Wirkung hat, die wir uns erhofft haben, und sich viele damit identifizieren konnten.“ Vor kurzen hatten sie auch einen Auftritt in Polen mit diesem Lied, einem Land, in dem der Konservatismus gerade hemmungslos dabei ist, liberale Errungenschaften zurückzudrängen. Und genau dort wollen sie die Menschen erreichen. „Weil wir eine Popband sind, wird dieses Video überall gesehen, auch in Teilen der Welt, in denen es noch so viel schwerer ist, frei zu leben.“ Doch nicht nur dort, denn „selbst an Orten wie Großbritannien oder Deutschland, die als liberal gelten, ist es nicht einfach. Ich habe hier – ausgerechnet in London – Freunde, die angegriffen wurden!“ Dass Theo diese Empathie hat und diese Rolle so spielen konnte, liegt auch daran, dass er und Adam selbst Gewalt kennen. Immerhin gibt es die Legende, dass sie sich kennenlernten, als ihre Freunde sich prügelten und sie selbst zu fertig waren, um mitzumachen. „Als ich jung war, gab es viel Gewalt. Ich wuchs im Norden Englands auf und es ist fast normal dort. Es war einfach ein Teil des Lebens, weißt du? Wenn du älter wirst, lernst du, es zu vermeiden ... aber oft ist diese diese Gewalt plötzlich da, ganz willkürlich.“ Auch wenn sie beim Schreiben des Liedes nicht an „The Beautiful Ones“ von Prince gedacht haben, ergibt für Theo diese Assoziation Sinn, nicht nur, weil sie seine Musik lieben, denn Prince war immer der Mensch, der er sein wollte, ohne Kompromisse – und die Welt akzeptierte ihn. Vielleicht, weil er der Welt gar keine andere Chance gelassen hat. „Wir alle wollen einzigartig sein“, sagt Theo. Und niemand sollte uns davon abhalten können. *Christian K. L. Fischer

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blu, hinnerk, gab, rik, Leo – die Magazine der blu Mediengruppe erscheinen monatlich in den Metropolen Deutschlands. Die nationale Reichweite der Magazine ermöglicht den reisefreudigen Lesern Zugriff auf alle Informationen immer und überall. Themenschwerpunkte sind neben der regionalen queeren Szene, Kultur, Wellness, Design, Mode und Reise. Unsere Titel sind mit der lokalen Community jahrzehntelang gewachsen und eng verbunden, was durch Medienpartnerschaften mit den CSD-Paraden in Hamburg, Berlin, München und Frankfurt sowie zahlreiche Kooperationen, wie der Christmas Avenue in Köln, seinen Ausdruck findet.