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blu Mai / Juni 2020

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MUSIK TIPP LENNON STELLA

MUSIK TIPP LENNON STELLA plant gerne Sie umgibt eine Aura der Coolness, als sie im Hamburger Gruenspan auf die Bühne kommt. Die blonden Haare reichen ihr fast bis zur Taille, zum Minirock trägt sie ein bauchfreies Top. Lässig greift sie zu ihrer Gitarre, um ein paar Songs ihres Debütalbums „Three. Two. One.“ live vorzustellen. Zwischendurch covert sie auch mal Rihannas „Umbrella“ oder Cindy Laupers „Girls Just Wanna Have Fun“. Die gebürtige Kanadierin, die in Nashville lebt, hat eben ein Faible für starke Frauen. Besonders bei der schrillen Cindy Lauper guckte sie sich einiges ab: „Von ihr habe ich gelernt, ganz ich selbst zu sein.“ Somit entstehen Lennon Stellas Stücke aus dem Bauch heraus. In „Kissing Other People“ zum Beispiel reflektiert sie das schleichende Ende einer Beziehung: „Ich kam an einen Punkt, wo ich andere geküsst und mich dabei nicht mal mehr schuldig gefühlt habe.“ Sind solche Geständnisse nicht womöglich zu persönlich? Die 20-Jährige zuckt mit den Schultern: „Ich bin halt wie ein offenes Buch.“ Ehrlichkeit geht ihr als Songschreiberin über alles, sie möchte eine gute Geschichtenerzählerin sein – wie ihr Vorbild Andy Shauf, ein kanadischer Singer- Songwriter. Mit ihm liegt sie musikalisch allerdings nicht unbedingt auf einer Wellenlänge. „Ich verorte mich eher im Indie- Pop“, sagt sie. Dabei haben ihre Nummern eigentlich keine Widerhaken. Bei Titeln wie „Jealous“ dominiert ein angenehmer Sound mit einer einschmeichelnden Melodie. „Fear of being alone“ geht ebenfalls glatt ins Ohr. Da beschreibt Lennon Stella ihre Angst davor, nach einer Trennung plötzlich alleine dazusitzen: „Manchmal fürchtet man sich so sehr vor der Einsamkeit, dass man sich an eine lauwarme Partnerschaft klammert.“ Solch ein Bekenntnis kommt ziemlich überraschend. Normalerweise hat Lennon Stella keine Scheu, für sich zu sein: „Ich brauche sogar Phasen der Isolation, um neue Kraft zu schöpfen.“ Nur so kann sie ihr beachtliches Arbeitspensum bewältigen, sie hat quasi seit ihrer Teenagerzeit einen Vollzeitjob. Dank ihrer Eltern – sie sind Country-Musiker und nennen sich als Duo The Stellas – lebte sie ihre Kreativität von klein auf aus. Mit fünf kriegte Lennon Stella ihre erste Gitarre, ihr Vater gab ihr Unterricht. Damals wohnte sie noch auf einer abgelegenen Farm in Ontario. Ohne Fernseher oder Internetanschluss. „Es gab dort keine Ablenkungen. Dadurch war ich gezwungen, mich selber zu beschäftigen – sei es draußen in der Natur oder mit einem Instrument.“ Etwas abwechslungsreicher wurde ihr Alltag, als sie mit neun mit ihrer Familie nach Nashville zog. Nichtsdestotrotz konzentrierte sich Lennon Stella weiterhin hauptsächlich auf die Musik. Sie sang gern mit ihrer jüngeren Schwester Maisy. 2012 stellten die beiden ihre Version von Robyns „Call Your Girlfriend“ online, der Clip ging viral und machte die Mädchen quasi über Nacht berühmt. Sie kriegten Rollen in der Fernsehserie „Nashville“, in der sie sechs Jahre mitspielten. In einer Episode präsentierte Lennon Stella 2017 ihren ersten eigenen Song „Saved“. 2018 brachte sie ihre EP „Love, Me“ heraus, sie veröffentlichte gemeinsam mit dem Produzenten Jonas Blue und dem One-Direction-Sänger Liam Payne die Single „Polaroid“. Ein Jahr später legte sie in Zusammenarbeit mit The Chainsmokers und Illenium das Lied „Takeaway“ nach, nun folgt endlich das Album. Steckt hinter all dem eine ausgeklügelte Karrierestrategie? Lennon Stella lacht: „Ich bin tatsächlich jemand, der alles genau plant. Im Gegensatz zu meiner Schwester Maisy kann ich mich nicht einfach treiben lassen.“ *Dagmar Leischow

MUSIK NACHGEFRAGT Austra: „Der ewige Kreis“ Als wir das letzte Mal mit Austra sprachen, stellte sie sich mit ihrem Album „Future Politics“ als Visionärin heraus, die die Entwicklungen und Wahlen von 2016 vorhergespürt und in Musik gepackt hat. Man darf sich also nicht wundern, dass sie danach von solchen Themen die Nase voll hatte, doch auf „HiRUDiN“ wirft sie nicht nur deswegen einen tiefen Blick ins Innere, in ihr Selbst – sie hatte keine andere Wahl. Denn in den letzten Jahren lernte sie, wie wichtig es ist, sich genau um dieses Selbst zu kümmern, es zu heilen, wenn es leidet, toxische Beziehungen zu beenden und die Kraft zum Neuanfang zu finden. „Es war nichts, was ich mir ausgesucht habe, die Songs sind so aus mir gekommen“, beschreibt sie diese Zeit dann auch. „Bei ,All I Wanted‘ habe ich am Piano gejammt, wie so oft, und die Worte kamen einfach … und erst, als ich die Aufnahme anhörte, merkte ich, wie intensiv das Lied geworden ist. Das kam direkt aus dem Unterbewussten, und ich war mir auch lange nicht sicher, ob ich es veröffentlichen kann.“ Doch dann spielte sie es ihren Freunden vor und die überzeugten sie schnell, dass genau solche Stücke auf das Album müssen. Als sich abzeichnete, dass sich diese Intensität durch alle Lieder ziehen würde, begann sie, diese auch als Konzept zu umarmen. „Menschen hören aus so vielen Gründen Musik: Sie hören, um zu entspannen oder um zu flüchten oder um sich mit anderen Menschen zu verbinden. Indem ich etwas sehr Verwundbares gemacht habe, wollte ich mit anderen eine emotionale Verbindung herstellen, um sie an ihre eigene Menschlichkeit zu erinnern. Damit wir Kontakte herstellen, die nicht auf dem Internet basieren.“ Erst mithilfe dieser Kontakte kann man sich so verwundbar zeigen wie Astra. So spricht sie zum Beispiel auch über etwas, das sie noch immer nicht loslässt und das sie mit „Queer Shame“ umschreibt. „Ich glaube, viele queere Menschen haben dieses tief verwurzelte Gefühl, das sie nie verlässt. Ich bin zum Beispiel im liberalsten Haus aufgewachsen, das man sich vorstellen kann, in einer sehr offenen Stadt und Community, aber trotzdem sind so viele Dinge für mich beängstigend, vor allem im alltäglichen Leben. Letztlich hat man ständig neue Coming-outs vor neuen Menschen, immer und immer wieder. ,Hast du einen Freund?‘ – ,Nein, ich bin lesbisch!‘ Und diese tiefen Gefühle spielen auch in unsere Beziehungen hinein und verursachen Probleme, wenn man all diese kleinen wiederkehrenden Momente erlebt, sie mit nach Hause nimmt und es vielleicht nicht einmal merkt, dass sich da etwas anstaut. Das bleibt schwierig, immer.“ Ihre Heilung findet Austra dabei nicht einmal zwangsläufig beim Schreiben von Songs, es geht vielmehr um den schon angesprochenen Kontakt mit anderen Menschen – man muss sich mit Leuten umgeben, die einen unterstützen wollen und können. „Und um das zu erreichen, habe ich jetzt viele Veränderungen umgesetzt. Ich habe mich von meinen alten Kollaborateuren getrennt, meiner damaligen Partnerin, meinem Management. Mein Leben war auf einmal wie eine leere Leinwand, was sehr beängstigend war. Aber ich beschloss, diese Leere jetzt mit Menschen zu füllen, mit denen mein Verhältnis viel ausgeglichener ist.“ Künstler hin oder her, am Ende sind wir alle nur Menschen, die diesen Zusammenhalt brauchen, erklärt sie. „Dann kannst du auch die Kunst machen, die du machen möchtest.“ Aber sie weiß, dass auch mit den neuen Beziehungen kein Endpunkt erreicht ist. „Es wird immer wieder enden und neu anfangen. Es ist ein Kreis und es wird immer einer sein.“ *fis FOTO: VIRGINIE-KHATEEB

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